Suchtgefahr!", sagt Alexander Springer und lacht. Was er meint, ist zweierlei: einzigartige Orte nicht bloß zu entdecken, sondern selbst zu schaffen, Stein für Stein, Idee für Idee. Für den Münchner Unternehmer ist das weit mehr als bloß ein Geschäft. Und dann die Zusammenarbeit mit seinem partner in crime, dem Holzrausch-Mitgründer und großartigen Schreiner Schrägstrich Interiorplaner Tobias Petri und dessen Team. "Wenn man sich mit denen einmal eingelassen hat, ist es schwer, wieder loszukommen", meint Springer. Gemeinsam haben die beiden gerade ihr zweites Ferienhaus fertiggestellt, wobei „Ferienhaus" eigentlich stark untertrieben und nur eine Facette ihrer langjährigen Zusammenarbeit ist, die einst mit einem Haus in Kitzbühel begann. Was Springer und Petri seither gemeinsam schaffen, sind hochkarätige Hideaways für sich selbst und andere Alltagsmüde; Orte, die jegliche Störfaktoren, allen Lärm und Stress verbannen und einen Augenblick - oder auch mehrere - des vollkommenen Bei-sich-Seins erlauben. Dass Alexander Springer dabei ausgerechnet die klassischsten deutschen Sehnsuchtsorte überhaupt - bis jetzt stehen auf seiner Liste die Toskana und Mallorca, weitere hat er schon im Auge - neu besetzt, mag Zufall sein, vielleicht aber auch ein Beweis, dass keine Geschichte je ganz zu Ende erzählt ist, wenn man ein wenig Fantasie mitbringt. Weshalb es ihm um den Bau und all das Entwickeln und Ausprobieren von Ideen vorab nicht weniger geht als um das fertige Ergebnis selbst.
Stein, Holz und Wein: die „Casa Morelli
Es sind, so könnte man denken, eben die klassischen Elemente eines Italien-Urlaubs: die weiten Hügel des Chianti Ciassico, kleine pittoreske Ortschaften, erhaben schöne Städte wie Florenz oder Siena nur eine kurze Autofahrt entfernt. Das Licht flirrt zwischen alten Olivenbäumen und Steineichen. Hoch oben auf einem der unzähligen Hügelehen führt eine Staubstraße zu einer Ansammlung von Steinhäusern, toskanischen Bauernhäusern, die sich mimetisch in die Landschaft betten. Doch ein Haus in diesem kleinen Borgo, genannt „Morelli", ist anders. Es blickt durch große Fensteraugen hinaus in die Weite, während es innen, warm und dunkel, einen Mikrokosmos vielstimmiger Details entfaltet. Die „Casa Morelli", um von vorn anzufangen, lag jahrelang als Rohbau in den Hügeln. Sie gehörte der Familie von Tobias Petri. Als das halb fertige Haus in den Besitz von Alexander Springer überging, half Holzrausch federführend, das Gemäuer aus seinem Schlummer zu wecken. Ein Schlafhaus, dessen Grundmauern auf das 15. Jahrhundert zurückgehen, daneben ein neuerer Bau, in dem sich die Wohnräume befinden; die beiden Teile begegnen einander durch einen luftigen Verbindungsbau. Die Außenhülle gleicht sich den umliegenden Steinhäusern an, doch die Überraschung ist groß, wenn man, der Tradition folgend, die Casa durch die Küche betritt und sich in einem loftartigen Raum wiederfindet. Dieser Raum empfängt den Eintretenden, auf den eben noch die Sonne niederbrannte, mit Dunkelheit: anthrazitfarbene Cotto-Böden, Einbauten aus Mooreiche und der gekörnte Putz an den Wänden begegnen dem verschwenderischen Sonnenlicht wie wohltuender Schatten. ,,Das typische Sommerhaus ist ja in der Regel sehr hell gehalten", erklärt Petri, doch aufgrund der großen Fensterausschnitte konnten wir uns trauen, das Interior eher dunkel zu gestalten, es strahlt dadurch eine besondere Wärme aus." Tatsächlich sind diese Ausschnitte teilweise so groß, dass Innen und Außen keine relevanten Kategorien mehr sind, alles verschmilzt. Die Fenster wurden in Rahmen aus schwarzem Stahl gefasst, das Wohnhaus öffnet sich durch ein Panoramafenster auf die weite Landschaft, das ,in der Art eines Scheunentors auf die Fassade gesetzt wurde". Komplett hochgefahren, stört kein Fensterflügel mehr den grandiosen Ausblick.
Diese Nahtlosigkeit wurde zum Grundprinzip der gesamten Gestaltung. So entwickelte Holzrausch gemeinsam mit der hier ansässigen Manufaktur Manetti für die Cotto-Fliesen jenes rauchig wirkende Anthrazit, in dem .14000 kleine Ziegelehen" von Hand gefertigt wurden. Sie bedecken jetzt die Böden, den Kamin, die Bäder, die Innen- und die Outdoorküche - so fließt alles ineinander. Inmitten dieser fluiden Oberfläche ruht als Insel eine monolithische Möbelgruppe, ein runder Tisch mit sechs Stühlen, alles aus massiver Eiche, die Sitzflächen aus Leder; wuchtig, aber von geometrischer Klarheit. ,,Die Stühle sind richtige Monster, man kann sie kaum bewegen", lacht Tobias Petri. ,,Aber sie sind halt echte Statements." Sie wurden vom österreichischen Designer Klaus Lichtenegger entworfen und gebaut; alle maßgefertigten Möbel im Haus stammen von ihm: ,,Klaus ist ein Freund von uns und lebte selbst lange hier in der Gegend. Wir dachten uns, dass es schön wäre, wenn er die lose Möblierung für uns entwerfen würde." Und das ist es. Diese feine Orchestrierung der Tonalitäten, alles in Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Spezialisten, schloss jedes noch so kleine Detail ein: ,,Jedes Fenster, jede Leuchte, jeder Türgriff wurde eigens angefertigt und hier eingebaut, von Manufakturen aus der Gegend oder auch befreundeten Handwerkern aus München", erklärt Petri. Und welches Detail erforderte den größten Aufwand? ,,Die Wände! Wir hatten eine sehr genaue Vorstellung, wie sie verputzt sein sollten. Wir haben unzählige Versuche gebraucht, bis wir die richtige Farbe, Körnung und Struktur hatten." Die Handwerker bauten ein spezielles Sieb, erstellten immer wieder neue Muster. Als der rechte Putz gefunden war, wurde dieser kompromisslos überall aufgebracht, auch im Schlafhaus, dessen Wände eigentlich schon fertig waren. Die aufwändigen Oberflächen, jenes kreative Ringen um den Wandputz, das auffahrbare Panoramafenster und nicht zuletzt ein kleines Wasserspiel, ein lang gezogenes Becken, das als spiegelnde „Infinity-Kante" Licht und Blick über die Terrasse verlängert, haben so manchen Handwerker staunen lassen .• Aber jeder einzelne war sehr engagiert", sagt Petri. .,Sonst saniert man hier eher etwas klassischer, da war unser Projekt eine Abwechslung."